Eine fiktive Geschichte (ekkehard friedrich)

Eine fiktive Geschichte

 

Michael wälzt sich im Bett, tausend Gedanken wetteifern in seinem Kopf und lassen ihn nicht zur Ruhe kommen. Seit längerem läßt ihn eine Frage nicht mehr los, deren Antwort seinem Leben wieder eine Richtung und einen neuen Impuls geben soll. Morgen muß er früh raus, es steht ein wichtiger Auftrag einer seiner Stammkunden an. Er kann sich aber nicht zwingen wieder einzuschlafen, es ist 03.00 Uhr und draußen herrscht klirrende Kälte.

Er zieht seinen Bademantel über, schlingt ihn fest um den Hals (sorry - um die Hüfte) und tritt auf den Balkon seines geräumigen, schicken und designmäßig eingerichteten Wohnzimmers. Eisige Luft nimmt ihm fast den Atem, aber die frische Brise tut gut. Er blinzelt rüber auf das ihm gegenüberliegende Fenster. Andreas, ein ehemaliger Manager bei Siemens, nach einem Schlaganfall in Frührente gegangen, sitzt oft früh morgens schon in seiner bescheiden eingerichteten Küche vor einem Topf Kaffee und sinnt nach über alles was so war in seinem Leben. Meistens denkt er an seine Frau, die sich nach seinem Zusammenbruch von ihm hat scheiden lassen und die Kinder, Lisa und Marlene, die sich auch nicht mehr melden mögen.

 

Andrea, eine überzeugte Budhistin, immer voller Elan und Lebensfreude ist grundsätzlich um 03.00 Uhr schon wach und betreibt ihre frühmorgendliche Meditation – der Sonnengott oder sowas in der Art. Sie ist eine Macherin, die dauernd auf Touren ist und die Welt bewegt, ein pragmatischer Typ eine die immer und dauernd Lösungen sucht und umsetzt in Projekte, Unternehmungen, Abenteuer,...

 

Michael faßt sich ein Herz, zieht sich seine Puschen an, geht die paar Meter im Flur ums Eck und klopft leise an Andreas Tür. Der kennt das schon, immer mal wieder schaut der ein oder andere bei ihm rein, der sich ausquatschen, austauschen, ausweinen möchte, Trost sucht oder einfach nur Gemeinschaft. Er freut sich immer, auch wenn er mal bei seinem täglichen Mittagsschlaf gestört wird. So merkt er jedesmal, dass er was zu sagen hat, mal mehr, mal weniger, mal auch durchs einfache, aufmerksame Zuhören und vorsichtige Nachfragen. Sein Leben hatte viele recht unterschiedliche Facetten und nun hat er viel Zeit ausgiebig darüber zu reflektieren und seine Schlüße zu ziehen, die manchmal auch dem Andern weiterhelfen.

 

Nach einer Stunde verläßt Michael dankbar Andreas Bude nun hat er noch ausgiebig Zeit zu Frühstücken und über das gehörte zu beten, eine wertvolle Zeit, wertvoller als der entgangene Schlaf und erfrischend. Außerdem hat er jetzt auch den Kopf frei für seinen Stammkunden, der fürs Geschäft keine unwesentliche Rolle spielt.

 

Andrea ist auch soweit, zügigen Schrittes marschiert sie zu ihrem kleinen zweisitzigen Mazda, grünmettalig, cremfarbene Ledergarnitur, ihr Traumauto, mit dem sie jeden Tag die freie Autobahnstrecke in die Firma außerhalb Hamburgs zurücklegt.

So langsam erwacht auch der ganze Neubau in der Elsastraße zum Leben. Die Fenster werden hell, mal eins, mal gleich 3 gleichzeitig, jeder hat seinen Rythmus, seine morgendlichen Rituale.

Dietmar muß dringend auf Toilette, aber Hans scheint Verstopfung zu haben, ok, dann erstmal Kaffee aufsetzen, Tisch decken, Müll vor die Tür stellen, irgendwann muß er ja dann doch fertig sein.

 

Michael fährt gerade zügig die Garagenausfahrt hoch. Er fühlt sich gut und freut sich auf die Herausforderungen des Tages. Andrea sitzt gefrustet hinterm Lenkrad, der Motor springt nicht an. Na ja, bei der Kälte. Es wird halt doch Zeit sich eine neue Batterie zuzulegen.

Bruno ist zwar KFZ Mechaniker aber schwingt sich für den Weg in die Werkstatt trotzdem am liebsten aufs Fahrrad, er hat die gescheiterten Zündversuche schon im Treppenhaus mitbekommen und hat sich von Michaela (einer pensionierten Lehrerin, die nicht wirklich kommunikativ ist, aber wenn man sich einen Ruck gibt und sie anspricht jederzeit hilfsbereit) ein Überbrückungskabel und deren Autoschlüssel ausgeliehen, fährt die paar Meter rüber zum Mazda, sagt kurz moin, setzt Michaelas Wagen Schnauze an Schnauze mit dem schicken Kleinen, verbindet die Kabel, zündet den einen dann den anderen Wagen, packt alles wieder ein, grüßt und Tschüs.

WOW denkt Andrea, das war nicht schlecht und eigentlich ist der Bruno überhaupt ein ganz netter Typ, beruflich ne ganz andere Baustelle und vielleicht ein bißchen fundamentalistisch mit seinem Glauben an Jesus, aber sonst, also das jetzt gerade war echt ne geniale Nummer, ohne viel Aufsehen und ich hatte ihn auch noch gar nicht angesprochen. Andrea sinnt noch ein bißchen über Bruno nach und dann erklimmt auch sie die Garagenausfahrt auf die Straße und fedelt sich in den fließenden Verkehr ein.

 

Michaela hatte Müllers zugesagt auf Paula und Christian aufzupassen. Sie selbst hat ja nie Kinder gehabt, aber sie hütet die Beiden nicht das erstemal und deren Mutter hat sie anfangs auch richtig eingelernt. Nun klappt das wie wenns die eigenen wären und sie hat sehr große Freude daran, dass ihr im hohen Alter doch noch Kinder vergönnt sind. Die Eltern möchten heute mal in Ruhe einen gemeinsamen Samstag verbringen, Frühstücksbuffet im Atlantic, Spaziergang um die Alster, sich austauschen was die letzten Wochen so war, mal wieder in Ruhe flirten, sich zublinseln, Küsschen hier Küsschen da, abends ins Kino – eine Frischzellenkur eben für die Ehe – tut allen gut – auch den Kindern, die freuen sich erstens auf Tante Michaela und zweitens an der glücklichen Ehe ihrer Eltern. Nach dem Samstag ist immer so eine leichte, fröhliche Atmosphäre im Haus. Nach dem Samstag ist es auch immer erlaubt die Nachbarskinder in die Wohnung einzuladen, ohne das die Eltern nochmal überlegen, obs gerade paßt. Anna und Fritz aus dem ersten Stock sind ihre besten Freunde, zu viert sind sie das perfekte Team!

 

Ihre Eltern sind leider geschieden, aber bei Paula und Christian kriegen sie mit wies auch besser gehen kann. Die Mutter von den Beiden findet Trost bei Siglinde, diese ist alleinerziehend, allerdings ist ihr Mann bei einem Verkehrsunfall verunglückt, aber sie weiß wie schwer das oft ist, alles alleine bewältigen zu müssen und auch den Vater noch zu ersetzten, wobei ihr schon klar ist, dass das gar nicht geht. Was ihnen am meisten Freude macht und Erleichterung bringt ist das morgendliche Gebetstreffen in der gemeinschaftlichen Wohnung aller Hausbewohner und der Lobpreisabend Donnerstags in den selben Räumen. Vorher müssen sie zwar den schweren Tischfußballkicker zur Seite schieben, weil die Jungs das immer vergessen, aber es gibt schließlich noch andere Sorgen.

 

Ansonsten trifft sich das ganze Haus einmal im Monat und jeder sagt einfach was er auf dem Herzen hat. Ohne Diskussion und Kritik aneinander sagt einfach jeder was im gefällt, was ihm nicht gefällt – einfach so damit die oder der andere Bescheid weiß und im Gebet herausfinden kann obs Korrekturbedarf gibt, ob er den ein oder anderen auf ein Thema von sich aus nochmal ausführlicher anspricht oder oder.

Das schöne ist, dass wirklich alles friedlich verläuft, niemand fühlt sich angegriffen, jeder aktzeptiert, dass der andere einfach sagt was ihn bewegt. Am Anfang war das noch etwas anders, aber irgendwann hatte jeder begriffen, dass es erstmal einfach nur darum geht zu wissen was den anderen bewegt und wie dieser die Dinge und Menschen anschaut.

Diese Gruppe hat uns alle sehr viel näher gebracht, oft bin ich überrascht, dass man Dinge so ganz anders anschauen kann, oder auch wie Brüder und Schwestern mich sehen, Seiten die ich selbst an mir zum Beispiel gar nicht wahrnehme, oder zu entdecken was der andere alles drauf hat, was man nie vermutet hätte.

 

Inzwischen ist auch Christine in die Puschen gekommen, nachdem sie mit ihrer Mitbewohnerin noch der Predigt vom letzten Sonntag gelauscht hat, hilft sie gerade Oma Mayer die Treppe runter, sie möchte für ihren 90. Geburtstag noch Kuchen beim Bäcker bestellen. Alle haben zusammengelegt und das ganze Haus ist eingeladen – insgesamt 80 Leute – Christen und Heiden – alle kennen Oma Mayer und alle werden da sein und alle werden helfen,...

 

Wir schreiben das Jahr 2030, die Zeit ist wie im Fluge vergangen und vieles hat sich bewegt, verändert, weiterentwickelt – einzelne Menschen – das Leben in der Elsastraße, die Beziehungen,...

Oma Mayer ist nicht mehr unter uns, dafür sind andere älter und manche auch weiser geworden. Die einen geniesen den Ruhestand, die anderen stehen mitten im Leben, Kinder wurden geboren, Lebensgeschichten geschrieben.

 

Unsere Budhisten hat doch tatsächlich den Bruno für sich auserkoren und sie sind in die Wohnung von Oma Mayer umgezogen, da ist das wesentlich heller. Sie sind selbst kinderlos geblieben, aber freuen sich über jedes Kind, das sich bei ihnen was zu trinken holt oder über die Eltern ausweint und schimpft, manchmal haben sie auch einfach ihre Hausschlüssel vergessen oder wollen Mensch ärgere Dich nicht spielen. Die älteren basteln mit Bruno an ihren Mofas und Mopeds herum, die jüngeren an ihren Fahrrädern.

 

Michael sucht immer noch den engen und regelmäßigen Kontakt zu Andreas, der ihm zum Mentor geworden ist und immer wieder die richtigen Einsichten vermitteln konnte, die ihn in seinem Beruf weitergebracht haben. Schließlich war er dadurch auch in der Lage Paulas Neugründung eines privaten christlichen Kindergartens mit einem zinslosen Darlehen zu finanzieren. Paula hatte kurzerhand die Räume des angrenzenden Jugendzentrums angemietet, die Vormittags lang genug leerstanden und ausreichend Platz boten um die Kinder auch im Winter im Haus zu beschäftigen. Die Eltern ware überglücklich so praktisch gleich nebenan Ihre Kinder gut aufgehoben zu wissen. Auch viele Kinder aus dem gesamten Ortsteil Barmbek fanden hier erste Berührungspunkte mit Jesus Christus und erlebten, dass Christentum weit mehr war als das was der Religionslehrer in der Schule erzählte. Sie erlebten ganz praktisch und wohltuend die Gnade Gottes und seinen Frieden. Nicht selten kamen sie aus Elternhäusern die von täglichem Streit und starken Spannungen geprägt waren. Viele von ihnen wurden ohne viel Aufhebens einfach kostenfrei betreut.

 

Die meisten Bewohner der Elsastraße hatten sich der Attraktivität Jesu nicht entziehen können, manche sind auch ausgezogen und neue Brüder und Schwestern konnten nachziehen.

Soviele Bewohner das Haus hatte, soviele unterschiedliche Anliegen hatten sie auch auf dem Herzen. Früher oder später ergab sich dann auch der passende Anlaß, um dem Herzenswunsch nachzugeben. Michaela hat als gute Seele des Hauses die Rolle von Oma Mayer übernommen. Christian ist die Beratung von Ehepaaren ein dringliches Anliegen. Er hatte selbst eine glückliche Kindheit und weiß wie sehr das mit der harmonischen Ehe der Eltern zusammenhängt. Nun hat er über sein berufliches Engagement hinaus eine wöchentliche Sprechstunde eingerichtet und hält ab und zu auch recht lebensbezogene Vorträge, die in Barmbek einen guten Ruf haben.

 

Fritz ist in die Spuren von Michael getreten und macht erfolgriech Karriere und schießt immer wieder hier und da Geld nach wos eng wird und trotzdem weitergehen soll.

Anna hat auch glücklich geheiratet und kümmert sich um Mann und 6 Kinder. Sie ist überglücklich und täglich voller Freude darüber, dass sie ihren Kindern ein intaktes Elternhaus bieten kann. Ganz Barmbek staunt über die Gelassenheit und Freude die Anna ausstrahlt, sie selbst sind oft genug mit zwei Kindern am Rande des totalen Zusammenbruchs. Annas Familie ist allseits bekannt und wenn eins mal irgendwo im Ortsteil verloren geht, weiß jeder wo es hingehört und so kommt es auch immer mal wieder zu guten Gesprächen mit den Findern der Kinder.

 

Die monatlichen Treffen der christlichen Bewohner im Haus, die Erfahrungen die wir alle gesammelt haben im lauf der Jahre kommen nun einem Konzept zu gute welches für alle Interessierten offen steht, die lernen möchten Konflikte zu lösen, offen und vertrauensvoll zu kommunzieren, andere Standpunkte stehen zu lassen und eigene Standpunkte zu formulieren.

Alle Interessierten treffen sich wöchentlich in unseren Gemeinschaftsräumen, welche aus der Zusammenlegung von drei ehemaligen Wohnungen entstanden sind.

Last but not least hat Christine ihr Herz für die Alten entdeckt und mit ein paar Kindern des Hauses einen Einkaufsservice organisiert, der allen Bewohnern der gesamten Straße zu gute kommt. Auch hier entwickeln sich Freundschaften über die Generationen hinweg.

Manch Alter hat sich zu Jesus bekehrt durch einen Knirps der ihm seinen Einkauf vorbeigebracht hat.

 

Inzwischen sind noch mehrere chrisliche Lebensgemeinschaften in Hamburg entstanden, die von unseren Erfahrungen zähren oder uns ganz neue Impulse gegeben, wo bei uns sich Routine breitgemacht hat. Unser Ruf in der Stadt ist über das normale Maß hinaus gut.

Die Selbstverständlichkeit mit der Christentum im Alltag gelebt wird und die Vorteile die alle, Heiden und Christen dadurch genießen sind schon sprichwörtlich geworden. Man nennt uns die Stadt des Lichts und kommt nicht umhin zu erkennen, dass hier etwas täglich gelebt wird was über das normal Menschenmögliche hinausgeht an Zuwendung, an praktischer Hilfe, an Gemeinschaft und gegenseitigem Verstehen und füreinander da sein.

Jesus prägt die Stadt, ein bißchen hier ein bißchen da und wir alle freuen uns darüber und danken täglich Gott, der uns so reich beschänkt, das wir gerne davon weitergeben – einfach so.

 

Hamburg, den 20. September 2031